Hallo Fischli,
dass es innerhalb der verschiedenen christlichen Kirchen verschiedene Strömungen gibt, die nicht alle identisch denken, habe ich nicht in Abrede gestellt. Nur das eine sind die Meinungen von Menschen und kleinen Gruppierungen, die in unserer Politik wohl auch nicht sooo viel zu sagen haben, das andere ist die offizielle Meinung der beiden großen christlichen Kirchen, also der Leute, die da das Sagen haben. Und mit der beschäftige ich mich in erster Linie.
Was sagen denn deine Leute und die Heilsarmee zum Embryonenschutzgesetz? Du schreibst oben nur, sie erlauben IVF. Erlauben sie auch die Selektion nach der Kernverschmelzung? Erlauben sie Samenspende, Eizellspende und Embryonenspende? Es würde mich wundern.
Ich habe im Programm dieser Gruppierung u.a. dies gefunden:
Künstliche Befruchtung und In-vitro-Fertilisation sind annehmbar, wenn Samen- und Eizellen der Ehepartner verwendet werden. Die Heilsarmee rät wegen rechtlicher, moralischer, sozialer, psychologischer und ethischer Komplikationen und Implikationen dringend vom Einsatz von Spendern ab.
Außerdem das hier noch:
Der Gebrauch von Spenderzellen in der IVF öffnet Tür und Tor zu einer Reihe von befremdlichen Möglichkeiten, z.B. uneingeschränkten Experimenten an ungebrauchten Keimzellen, der Leihmutterschaft, der Selektion von "Superbabys" und der Kinder für homosexuelle Paare.
Die Heilsarmee sieht die IVF ausschließlich im Rahmen von Paaren in einer dauerhaften und tragfähigen Ehe.
Also, doch seeehr eingeschränkt. Zur Selektion steht da nichts. Aber ich habe meine Vermutungen.
+++++++++++++++++++++
Zum Thema Abtreibung: Wie man zahlreichen meiner Diskussionen im Forum entnehmen kann, sehr ich das nicht leichtfertig als legitim. Ich habe mich sogar anfangs ähnlich dazu geäußert, wie du. Es wäre ja so schön praktisch. Die Frauen tragen die Kinder aus und geben sie zur Adoption frei. Ende gut, alles gut. Aber das Thema ist komplexer. Viele Frauen wissen oder ahnen nur allzu gut, dass sie ein Kind, das sie erst geboren haben, nicht mehr weg geben können. Es kommen aber mehrere Beweggründe zusammen. Man muß sich schon mal mit dem Thema auseinander setzen und nicht einfach so flach urteilen. Ich befürworte eine Schwangerschaftsberatung, bei der der Schwangeren ohne Druckausübung Alternativen aufgezeigt werden, die dazu führen können, dass sie ihr Kind vielleicht doch noch austrägt. Die letzte Entscheidung jedoch bleibt aufgrund der Selbstbestimmungsrechte immer bei der Schwangeren. Man darf die Frauen nicht zum Austragen des Kindes zwingen. Sicher gehört zu dem Themenkomplex auch die noch bessere Information von Jugendlichen. Aber was ist, wenn es nun doch passiert? Willst du die Frauen dafür einsperren lassen, wenn sie dann abtreiben?
Zitat: "Meine Großmutter hat mein Vater mit 17 Jahren bekommen, er und meine ganze Familie wären heute nicht da... armes Deutschland." - Das ist zwar sehr erfreulich, dass deine Großmutter deinen Vater ausgetragen hat und damit auch dir eine Lebenschance gab. Aber da kannst du jetzt lange herum philosophieren. Vielleicht hätte deine Großmutter ja später ein (weiteres) Kind gewollt, dass sie jetzt aber nicht bekommen hat, weil ihr die Anzahl der Kinder genug war. Ist es nicht traurig um dieses Kind, was sie dann nicht bekommen hat? Und um die ganzen Enkelkinder erst, ... usw., die nicht geboren wurden? Ich mußte grad lachen. Habe gestern einen Artikel von Michael Schmidt-Salomon zu einem ganz anderen Thema gelesen, da schrieb er, vermutlich wäre unsere ganze Geschichte anders verlaufen, wenn vor 2.500 Jahren ein Bauer an einem Morgen 15 Minuten früher oder später aufgestanden wäre. Ist es nicht schade um all diese Menschen, die dadurch nicht zustande gekommen sind? Vielleicht hätten diese Menschen ja eine nettere Geschichte geschrieben? - Für uns greifbarer und noch grotesker: Hätte es den Krieg nicht gegeben, wären viele von uns nicht, weil Teile unserer Großeltern oder Urgroßeltern einen Partner gehabt hätten, der leider durch den Krieg nicht weiter leben durfte. Ja, ich bin schon froh, dass ich da bin. Aber dass es diese Kriege gab, da bin ich gar nicht froh drum. Und mit Sicherheit haben sich auch irgendwelche Vorfahren von mir durch die Kirche kennen gelernt. Trotzdem danke ich der Kirche nicht dafür. Wenn ich nämlich nicht wäre, bräuchte ich das auch nicht zu bedauern.

[Ein kleiner Ausflug in die Philosophie]
Rudolf Steiner: Natürlich ist das Christentum nicht die einzige Ideologie, die Selbstbestimmungsrechte beschneidet. Rudolf Steiner ist sehr umstritten.