Das habe ich übrigens an den SPIEGEL geschrieben:
Sehr geehrte Frau Schmetter,
ich bin Mutter von 2 Söhnen nach IVF mit Spendersamen und engagiere mich für bessere Bedingungen für ungewollt Kinderlose auf dem Weg zu ihrem Wunschkind. (u.a. Gründungsmitglied von DI-Netz e.V. und Moderatorin im Forum für Heterologe Insemination) Einen Zeitungsbericht über meine Familie finden Sie hier:
http://www.berliner-zeitung.de/politik/ ... 88636.html
Nachdem ich die Dresdner Rede der o.g. Schriftstellerin gehört hatte, wusste ich nicht, ob ich mich freuen oder ob ich weinen soll. Sibylle Lewitschoff hat mit ihren Worten nicht nur mich und meinen Mann beleidigt, sondern auch unsere Kinder. Andererseits kenne ich solche Anfeindungen bereits aus zahlreichen Internetdiskussionen, die z.B. oft entstehen, wenn es einen Zeitungsartikel zum Thema gab. (Die FAZ hat z.B. aktuell eine ganze Reihe von Leserkommentaren zu dem Thema. Derlei Anfeindungen findet man aber auch in den fast 7.000 Kommentaren zum Thema "Kinderwunsch finanzierbar machen" beim Zukunftsdialog der Bundeskanzlerin:
https://www.dialog-ueber-deutschland.de ... dIdea=8444) Bei solchen Gelegenheiten ernte ich immer wieder Bemerkungen wie z.B., wir Egoisten wären als Eltern nicht geeignet. Die Menschen, die sowas schreiben, begründen ihre Äußerungen fast immer mit einem Gottesbezug. Man soll Gott nicht ins Handwerk pfuschen. Schließlich habe man ja eine christliche Erziehung. Oder auch eben das: „Mir kommt die Vorstellung, dass ich Herrin über mein Schicksal wäre …. über das eigene Leben zu verfügen … wie ein Frevel vor.“
Von daher schrieb ich oben, dass ich mich evt. auch freuen kann. Weil nämlich endlich mal einer sich getraut hat, diese Anfeindungen öffentlich auszusprechen und ich nicht mehr als Neurotikerin dastehe, wenn ich sage, Menschen, die sich aus ihrer Not heraus ihren Kinderwunsch mit Hilfe der Reproduktionsmedizin erfüllen, werden nicht von allen Schichten unserer Gesellschaft akzeptiert. Insbesondere dann nicht, wenn sie durch eine Samenspende oder Eizellspende Eltern geworden sind oder werden wollen. Diese Nichtakzeptanz liegt aber nicht nur beim einfachen Volk, sondern auch bei Menschen, die etwas zu sagen haben. Sie hat Einfluss auf unsere Gesetze, insbesondere auf das überarbeitungsbedürftige so genannte Embryonenschutzgesetz. Auch bewirkt sie die Diskriminierung bei der Nicht-Kostenübernahme der gesetzlichen Krankenkassen.
So überspitzt wie Frau Lewitschoff hat es bisher keiner in der Öffentlichkeit gesagt. Ich kopiere Ihnen aber einige Aussagen von Menschen, die angehört werden, unter meine Mail. Diese Menschen nennen nicht plump ihre religiösen Motiven. Sie bedienen sich mit Scheinargumenten, die einer näheren Untersuchung jedoch nicht standhalten bzw. nur Halbwahrheiten beinhalten bzw. nur in einem anderen Zusammenhang richtig sind.
Es ist jedoch nicht Aufgabe unseres Gesetzgebers, die Freiheit von Menschen (hier: Fortpflanzungsfreiheit) aufgrund von religiösen Vorbehalten einzuschränken. Deshalb wünsche ich mir nun eine Debatte in den Medien, die die Motive für Diffamierungen von Eltern nach assistierter Befruchtung in ihrer Entstehung beleuchtet, aber auch in ihrer Wirkung und ihren Konsequenzen für die Betroffenen. Andererseits befürchte ich aber auch, dass die Diskussion jetzt nach hinten los geht. Frau Lewitschoff bekommt ein Forum, um ihre Ideologie zu verbreiten. Ein Artikel heute in der Berliner Zeitung:
http://www.berliner-zeitung.de/meinung/ ... 26198.html lässt dies z.B. befürchten. (Mein Kommentar dort unter dem Namen Justine) Ich bitte Sie, dazu beizutragen, dass es nun eine Diskussion gibt, die den betroffenen Menschen auch hilft und sachdienlich ist.
Bei Fragen antworte ich Ihnen jederzeit gern.
Mit freundlichen Grüßen
XXXX (Mein Name steht nicht zur Veröffentlichung zur Verfügung)
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- Dr. Ingrid Schneider, ehemaliges Mitglied der Enquete-Kommission "Recht und Ethik der modernen Medizin" des Deutschen Bundestages und ausgezeichnet mit dem "Ethikpreis" der christlichen Wochenzeitung für Politik, Wirtschaft und Kultur "DS - Das Sonntagsblatt" schreibt sogar: „Zu den "Opfern", die für Fortschritt und Interventionsmöglichkeiten gebracht werden müssen, zählen bei den IVF-Nutzer/innen körperliche Kompetenzverluste, das Fehlen der personalen Begegnung des Zeugungsaktes, das Eindringen in die partnerschaftliche Intimität.“ (Schneider, Ingrid (2002): Embryonen zwischen Virtualisierung und Materialisierung Kontroll- und Gestaltungswünsche an die technisierte Reproduktion, in: Technikfolgenabschätzung, Schwerpunktthema)
- der Druck auf Frauen, ein perfektes Kind zur Welt zu bringen, steigt. Eltern müssten die genetisch determinierten Merkmale ihrer Kinder verantworten. Kinder hätten darunter zu leiden, dass ihre Eltern sie nur aufgrund bestimmter Merkmale angenommen haben. (Schneider, Ingrid (2002): Embryonen zwischen Virtualisierung und Materialisierung Kontroll- und Gestaltungswünsche an die technisierte Reproduktion, in: Technikfolgenabschätzung, Schwerpunktthema Genderforschung und Technikentwicklung, Nr. 2 / 11. Jahrgang - Juli 2002, S. 45-55 und Graumann, Sigrid (2001): Zur Problematik der Präimplantationsdiagnostik. Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament B 27, S. 17-25)
- Ute Sacksofsky, Professorin für Öffentliches Recht und Rechtsvergleichung: „Wird dem Embryo in vitro mit der Begründung Menschenwürde abgesprochen, dass er bestimmte Fähigkeiten oder Eigenschaften nicht aufweist, müsste die Menschenwürde auch allen geborenen Menschen abgesprochen werden, denen diese fehlen.“ (Sacksofsky, Ute (2005): Anforderungen an ein Fortpflanzungsmedizingesetz - Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen. In: Fuat S. Oduncu/ Katrin Platzer/ Wolfram Henn (Hg.), Der Zugriff auf den Embryo. Ethische, rechtliche und kulturvergleichende Aspekte der Reproduktionsmedizin, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, S. 61)
- Argument zur Rechtfertigung des Beginns einer Menschenwürde ab dem Zeitpunkt der Kernverschmelzung: „Der Menschenwürdesatz steht deshalb am Beginn des Grundgesetzes, „um einer Wiederholung der Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes einen klaren Riegel vorzuschieben.“ (Sacksofsky, Ute (2005): Anforderungen an ein Fortpflanzungsmedizingesetz - Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen. In: Fuat S. Oduncu/ Katrin Platzer/ Wolfram Henn (Hg.), Der Zugriff auf den Embryo. Ethische, rechtliche und kulturvergleichende Aspekte der Reproduktionsmedizin, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, S. 60)
- Sigrid Graumann, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut Mensch, Ethik und Wissenschaft in Berlin und ehemaliges Mitglied der Enquete-Kommission "Ethik und Recht der modernen Medizin" des Deutschen Bundestages, vergleicht den Schwangerschaftskonflikt mit einer Notwehrsituation. Sie sagt, die PID und die IVF wären kein unausweichlicher Konflikt, da es für die Frau Handlungsalternativen gäbe, den Verzicht auf Kinder. (Graumann, Sigrid (2001): Zur Problematik der Präimplantationsdiagnostik. Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament B 27, S. 17-25
Graumann, Sigrid (2001): Zwischen Zeugung und Erzeugung von menschlichem Leben besteht ein ethisch relevanter Unterschied. In: Graumann, S. (Hg.): Die Genkontroverse. Grundpositionen. Freiburg, S. 88 - 94)
- Die Theologin und Professorin für Moraltheologie und Sozialethik Hille Haker bemängelt die fehlende Beziehung der Mutter zu ihrer befruchteten Eizelle. Sie sagt: „Während in der Schwangerschaft eine Beziehung der Fürsorge zwischen Mutter und Kind beginnt, fördert die in vitro Situation die Distanzierung und Objektivierung des Embryos zu einem „Zellhaufen“. (Haker, Hille (2002): Ethik der genetischen Diagnostik, Paderborn, S. 233)
- Regine Kollek, Professorin für Technologiefolgenabschätzung der modernen Biotechnologie in der Medizin mit Forschungsschwerpunkt Biotechnik, Gesellschaft und Umwelt, spricht von einer Entemotionalisierung des Verhältnisses vom Embryo (Kollek, Regine (2000): Präimplantationsdiagnostik, Embryonenselektion, weibliche Autonomie und Recht. Tübingen, Basel (Ethik in den Wissenschaften, Bd.11), S. 210)
- „Würde man den Eltern ein solches Recht zugestehen, wäre nicht länger einsichtig, weshalb Eltern eigentlich nicht ihre Kinder nach dem Geschlecht oder der Intelligenz auswählen können sollten.“ (Sacksofsky, Ute (2005): Anforderungen an ein Fortpflanzungsmedizingesetz - Verfassungsmäßige Rahmenbedingungen, In: Fuat S. Oduncu/ Katrin Platzer/ Wolfram Henn (Hg.), Der Zugriff auf den Embryo. Ethische, rechtliche und kulturvergleichende Aspekte der Reproduktionsmedizin, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, S. 66)
(Meine Zitatesammlung ist schon ein paar Jahre alt. Man findet gewiss auch Aktuelleres. Ich kann Ihnen zu jedem der o.g. "Argumente" darlegen, was daran nicht stimmig ist.)"