Eizellspende-Freispruch für Mediziner aus Augsburg

rebella67
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Beitrag von rebella67 »

Nera hat geschrieben:es geht mir nicht darum, von mir auf andere zu schließen, sondern mir überhaupt die Frage zu stellen: Was für eine Wirkung bzw. was für Folgen wird die Entscheidung, die über das Leben anderer Menschen getroffen wird, unter Umständen für diese Menschen nach sich ziehen? ... Empathie macht an dieser Stelle schon einen wesentlichen Teil der Verantwortung aus
Ich halte es generell für gut, wenn Menschen es versuchen, sich in andere Menschen hineinzuversetzen. Nur ist das eben auch oft mit Schwierigkeiten verbunden. Und ganz oft kommt man bei solchen Versuchen zu Ergebnissen, die dann bei den wirklich Betroffenen doch nicht so sind. Selbst dann, wenn man es ganz ehrlich und echt meint, passiert sowas. - Ich habe zum Beispiel versucht, mich in meine transsexuelle Freundin hineinzuversetzen, in meinen depressiven Freund, in meine eigenen Kinder, in meinen Mann, in verschiedene behinderte Menschen - und es gelingt mir immer nur zum Teil. Ich schaffe es nie, voll den Punkt zu treffen. ... Die besondere Schwierigkeit liegt darin, wenn man sich gleich in eine ganze Gruppe von Menschen hineinversetzen will. Weil, eine Gruppe ist nie homogen. Da sind immer solche und solche dabei. Und alle sind geprägt von ganz vielen verschiedenen Einfüssen, die ganz genau in dem Gefühl münden, das sie nun schließlich haben.

Wegen der vielen verschiedenen Einflüsse liegt mein Hauptaugenmerk da. Was kann man an den Einflüssen ändern, damit sich die betreffenden Menschen wohl fühlen? Nicht: Wie kann man die betreffenden Menschen verhindern.

Du benutzt ein schönes Schlüsselwort: Verantwortung. Solange Eltern die Verantwortung ernsthaft übernehmen, sehen meines Erachtens die Chancen für das Kind gut aus.


Nera hat geschrieben:Wenn du sagst, dass sich die Kinder gut entwickeln, dann hast du damit in den meisten Fällen Recht - auch ich, die erst später darüber aufgeklärt wurde und den genetischen Vater nicht kennt, habe mich "gut entwickelt" ....
Ich habe mal gelernt, "gut" ist ein Wort, das Menschen gern verwenden, wenn sie nichts von sich sagen wollen: "Es geht mir gut." - Wenn wir sagen, die Kinder entwickeln sich gut, sagen wir vielleicht etwas Globales, sie sind relativ gesund und fühlen sich auch relativ wohl. Aber was Genaues ist das nicht. In Bezug auf eine Gruppe ist das auch wieder schwierig, weil sich ja nicht alle gleich und auch nicht alle gleich gut entwickeln. Und weil es noch mehr Einflüsse auf die Entwicklung gibt als die Samenspende.

Wenn Studien die Entwicklung von Kindern aus Samenspende untersuchen, dann fragen sie mehr als nach "gut". Zum Beispiel wird gefragt, wie die Kinder in der Schule klar kommen, ob sie sozial gut in ihr Umfeld integriert sind, ob sie Ängste haben, wie fröhlich sie sind, wie das Verhältnis zu den Eltern ist, .... usw. - All diese Fragen werden da offensichtlich nicht so viel anders beantwortet als von herkömmlich gezeugten Kindern. - Davon abgesehen hat aber auch JEDER Mensch seine kleinen und größeren Probleme. Das geben so Studien meist nicht her. - Ich meine über mich, ich habe mich auch ganz gut entwickelt. Ein paar Probleme schleppe ich trotzdem mit mir herum. - Ich lebe damit aber wie andere Menschen auch. Und ich kann diese Probleme annehmen.

Nera hat geschrieben:Ich denke, es ist naiv anzunehmen, dass es Menschen gibt, die das Thema Ihr Leben lang völlig kalt lässt. Das wäre aus meiner Sicht auch keine gesunde Reaktion.
Da wäre ich mir nicht sicher.
Liebe Grüße, Rebella
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Beitrag von rebella67 »

Nera zur Bundestagsdebatte zum Abstammungsrecht hat geschrieben:zumal es Menschen gibt, die das dort sicherlich kompetenter vermitteln können als ich.
Du hättest mal sehen sollen, wie wenig kompetent die meisten Redner dort aufgetreten sind. ... Es war so ungefähr auf Schülerniveau, wenn ein Schüler in der Klasse einen kleinen Vortrag halten soll. ... Es war wenig Substanzielles dabei.

Das Protokoll wird sich nachlesen lassen.
Liebe Grüße, Rebella
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Beitrag von rebella67 »

Nera hat geschrieben: "Wissen" kann es doch keiner. Für mich ist die Kernverschmelzung überzeugend, schlichtweg weil mich nichts anderes bisher überzeugt hat. Ich habe noch niemanden kennen gelernt, der Vorkerne oder Zygoten mal direkt befragen konnte.
Es gibt auch keine wirkliche Antwort auf die Frage, ab wann ganz genau der Mensch als Mensch betrachtet werden kann. Es gibt einen Bereich, in dem man durchaus verschieden antworten kann. - Wo du so schön beim Farben mischen warst: Stell dir verschiedene Abstufungen des Mischens von gelb und blau vor. 10% gelb, 90% blau - 20% gelb, 80 % blau, 30% gelb, 70% blau, ... usw. Und noch mehr Stufen jeweils dazwischen. Und dann frage die Menschen, an welcher Stelle es noch blau war und ab wann grün. Du wirst verschiedene Antworten erhalten.

Da jedoch verschiedene Antworten möglich sind, sollte man alle diese Antworten zulassen. Zumindest bis zu dem Punkt, an dem sich das Grün nicht mehr leugnen lässt.

Nera hat geschrieben: Deshalb finde ich es auch irgendwie komisch zu kritisieren, dass es sich bei dem Gesetz um einen Kompromiss handelt. Gesetze werden nun mal von Menschen gemacht und wie du selbst sagst, hat jeder seine ganz eigene Weltanschauung. Solange es keine über alles stehende Erkenntnis gibt und man hundertprozentig sagen kann, so ist es und nicht anders, kann man doch nur einen Kompromiss finden, von dem man glaubt, dass er zur Gesellschaft gut passt. Wie soll das auch anders gehen?
Wer sagt denn, dass dieser Kompromiss zur Gesellschaft gut passt? - Vorkernstadien können von den Eltern als schützenswerte Menschen betrachtet werden. Deshalb haben die Eltern - und nur sie - das Recht, darüber zu entscheiden. Falls sie sich jedoch für eine Spende entscheiden, muss selbstverständlich an das dann schon recht konkrete spätere Kind gedacht werden. Erst dann kommt ein potentieller Mensch mit ins Spiel, dessen spätere Interessen zu berücksichtigen sind. - Falls sie sich gegen eine Spende entscheiden, gibt es kein späteres Kind. Da ist es dann egal.

Nera hat geschrieben: Aber eines verwirrt mich. Wenn ich euch richtig verstehe, würdet ihr Eizellen im Vorkernstadium doch auch gerne schon als Individuum deklarieren, oder? Sollte euch dann nicht zugute kommen, wenn der Embryo schon zu einem frühen Zeitpunkt festgelegt wird?
Ich würde PN-Stadien nicht per Gesetz als Menschen declarieren wollen, der zwingend gerettet werden muss. Genauso würde ich das auch nicht mit Wenigzellern tun wollen. Ich würde aber beide Entwicklungsstadien in einen Bereich stellen, in dem die Eltern über das weitere Schicksal des beginnenden menschlichen Lebens entscheiden. Wenn sie es nicht selbst austragen können/ wollen, dann entscheiden sie, ob gespendet oder verworfen wird. Zu diesem Zeitpunkt hat das Interesse der Eltern am Weiterleben des von ihnen als Mensch betrachteten Embryos Gewicht, zu einem späteren Zeitpunkt geht das so nicht mehr. Bei sich zum Menschen entwickelnden Embryonen, die bereits im Mutterleib sind, geht dieser Entscheidungsspielraum gesetzlich bis zur 13. Schwangerschaftswoche. ...

Nera hat geschrieben:Insbesondere das Christentum bildet nun mal die kulturellen Wurzeln von Ländern wie Deutschland, für das die Gesetze ja gemacht werden sollen. Die Bilder von damals prägen unsere Kultur bis heute. Deshalb finde ich, dass ein gewisses Maß an Offenheit, da sehr erhellend sein kann. Man muss sich ja nicht gleich daran binden.
Das ist sicher interessant, mal zu betrachten. Jedoch würde ich mich eben nicht von so kulturellen Wurzeln bevormunden lassen. Für mich persönlich empfinde ich das Christentum nicht als Wurzel. - Solange man sich nicht daran binden muss, ist es ja o.k. Wenn aber daraus Gesetze abgeleitet werden, müssen wir uns doch daran binden.
Nera hat geschrieben:Dieser Schockenhoff hat sicherlich auch seine Gründe, warum er homosexuelle Elternschaft ablehnt. Ich kenne ihn selber nicht, habe jedoch gerade ein bisschen im Internet über ihn gelesen. Zu homosexueller Elternschaft habe ich nichts gefunden, ...
Schockenhoff am 22. Mai 2014 bei der Veranstaltung des Ethikrates. Da hat er sich entsprechend geäußert. Was er dafür für Gründe hat, ist mir im Prinzip egal. Er hat nicht das Recht, homosexuelle Menschen zu bevormunden.
Nera hat geschrieben:Wie gesagt, das ist ein Zwiespalt, der überhaupt erst dadurch entsteht, dass Embryonen, Vorkerne etc. übrig bleiben. Das Gesetz versucht für dieses Dilemma nur eine akzeptable Lösung zu finden.
Des Gesetz versucht in der Hinsicht gar nichts. Das ESchG ist so ca. von 1990. Das ist uralt. Damals gab es noch keine Embryonenspenden. Gewiss hat da auch noch keiner an sowas gedacht.
Nera hat geschrieben:Komisch an der Kryokonservierung finde ich jedoch insbesondere das Künstliche daran.
Was ist denn am Gefrierprozess künstlich?
Liebe Grüße, Rebella
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Beitrag von Nera »

free, dieses "von sich auf andere schließen" hast du doch selbst eingebracht, mir war und ist es gar kein Anliegen, darauf irgendwie auf besondere Weise zu bestehen oder so. Wie gesagt, ich versuche mich einfach in diese Menschen hineinzuversetzen, allerdings beziehe ich da auch nicht nur meine eigenen Erfahrungen ein. Natürlich ist Empathie nicht nur daran gebunden, aber wenn man ähnliche Erfahrungen gemacht hat, ist das schon nochmal eine andere Verständnisebene. Denn die Erfahrungen von Samenspenderkindern sind denen von Embryonenspendekindern nicht sehr fern... Da ist es nochmal was anderes, sich als heterosexueller Mensch in die Situation eines transsexuellen hineinzuversetzen.

Du hast Recht, wenn du sagst, dass die eigenen Erfahrungen nicht der einzige Bezugspunkt sein sollten, um ein differenziertes Bild darüber zu bekommen. Ähnlich trügerisch ist es jedoch auch, sich nur auf etwas zu verlassen, wo "Studie" oben drüber steht. Ich weiß nicht, wie sensibilisiert du in Sachen Forschung und Wissenschaft bist, aber die menschliche Psyche mit Zahlen zu bemessen, ist so eine Sache. Das ist eine relativ kostengünstige Methode, mit der man schnell durch große Zahlen beeindruckende Ergebnisse präsentieren kann, deren Aussagekraft man jedoch in vielen Fällen in Frage stellen kann. Das gilt auch für viele Studien im Bereich Reproduktionsmedizin.

Wenn ich so was lese:
Zum Beispiel wird gefragt, wie die Kinder in der Schule klar kommen, ob sie sozial gut in ihr Umfeld integriert sind, ob sie Ängste haben, wie fröhlich sie sind, wie das Verhältnis zu den Eltern ist, ....
... dann ist das für mich absolut nichtssagend. Zumal ich das z.B. gerade in meinem Fall auch alles abnicken kann. Und das wie gesagt sogar als spät aufgeklärtes Spenderkind, bei denen doch anscheinend alles scheiße sein müsste. Aber nein, auch ich hocke nicht heulend in der Ecke.
Wie gesagt, hier wird eine Kausalverbindung hergestellt, die ich recht schwierig finde. Sicherlich ist es schön zu wissen, dass sich Spenderkinder in diesen Bereichen gut entwickeln, aber da fehlt doch der Blick in die Seele dieser Menschen. Das ist schwer mit standardisierten Fragebögen zu erfassen, also aus meiner (fachlichen) Sicht methodisch der völlig falsche Zugang.

Damit will ich nicht sagen, dass die existierenden Studien alle Müll sind, nein, es ist gut, dass überhaupt Studien durchgeführt werden und jeder untersuchte Teilbereich ist auf seine Weise interessant und erkenntnisreich. Aber auch hier gilt es wachsam zu sein. Übrigens lohnt sich dabei auch der Blick in die Psychologie allgemein, also losgelöst von irgendwelchen Eingrenzungen nur im Hinblick auf die Reproduktionsmedizin oder reine Untersuchungen des Verhaltens. Wenn man so ein bisschen versteht, was die Seele des Menschen ausmacht, sieht man das vielleicht auch nochmal anders...
free hat geschrieben:
Nera hat geschrieben: Wenn das Thema scheinbar komplett ausgeblendet wird, würde ich mich eher fragen, was dazu führt, dass die Beschäftigung mit dem Thema nicht zugelassen wird.
nera,in diesen studien,die ich kenne,wird dieses thema nicht ausgeblendet.die kinder wachsen auch mit dem wissen um ihrer halbgeschwister auf.ich frage mich gerade,warum spaltest du diesen anteil ab?
Ich beziehe mich damit nicht auf irgendwelche Studien, sondern auf die hier offenbar verbreitete Ansicht, dass es Spenderkinder gibt, die das Ihr Leben lang null beeinflusst (siehe Rebella). Man kann damit klar kommen, es ist nicht für alle ein ständig andauerndes belastendes Problem, das will ich damit nicht sagen. Jedoch Einfluss hat es immer, und je nach Lebensphase mal einen größeren oder kleineren. Und um überhaupt erstmal dazu zu kommen, dass man damit gut leben kann, ist ein psychischer Aufwand erforderlich.

Du beziehst dich wahrscheinlich auf amerikanische Studien. In Amerika sind die Rahmenbedingungen ganz andere, als hier in Deutschland. Dort mag auch zutreffen, dass einige Spenderkinder ihre Halbgeschwister kennen. In Deutschland trifft das jedoch nur auf einen seeehr kleinen Bruchteil aller Spenderkinder zu.

Was die falschen Tatsachen angeht, hab ich auch keine Lust mich ständig zu wiederholen, dennoch mache ich es jetzt nochmal. Wenn hier geschrieben wird, dass rein aus Verdacht, weil man Hassgefühle hat, Strafanzeige gestellt wird, dann kann ich nur sagen, dass das schlichtweg falsch ist. Und nicht nur das, es ist eine ziemliche Grenzüberschreitung im Hinblick auf die Person, die die Anzeige gestellt hat und das ja nun auch nicht zum ersten Mal.

@mondschaf: von verdrängen habe ich nichts geschrieben.
rebella67 hat geschrieben:Du hättest mal sehen sollen, wie wenig kompetent die meisten Redner dort aufgetreten sind. ... Es war so ungefähr auf Schölerniveau, wenn ein Schüler in der Klasse einen kleinen Vortrag halten soll. ...
Na, dann hab ich ja nichts verpasst. ;)
kannst mich ja das nächste Mal vorher darauf hinweisen, dann überlege ich mir, ob ich mal einen Ausflug dorthin unternehme, sollte ich die Zeit dafür haben...
Es gibt auch keine wirkliche Antwort auf die Frage, ab wann ganz genau der Mensch als Mensch betrachtet werden kann.[...] Da jedoch verschiedene Antworten möglich sind, sollte man alle diese Antworten zulassen.
Genau darum geht es ja, ab wann ist der Mensch als menschliches Individuum zu betrachten, das besonders schützenswert ist. Aus Sicht des Gesetzes ist das ab dem Zeitpunkt der Kernverschmelzung der Fall, sprich dann ist die Farbe grün da, auch wenn sich vielleicht im Laufe des Lebens die Intensität des Grüns verändert. Am Ende ist es grün...

Wenn wir nur einfach uns darüber unterhalten, dann kann natürlich jeder eine Meinung haben und dann ist es auch völlig irrelevant, ob diese Antworten realitätsnah sind oder nicht. Gesetze haben jedoch nicht die Eigenschaft alle Antworten und Handlungen zuzulassen, wenn dabei ein anderer Mensch konkret betroffen ist. Wie gesagt, Menschen gelten als besonders schützenswert, das gilt auch schon für die Embryonen. Hier wird der spätere Mensch in eine sehr heikle Lebenssituation gebracht.
Ein Mensch, selbst wenn es das eigene Kind ist, ist nicht das Eigentum eines anderen, mit dem man tun und lassen kann, was man will. Ich bin froh, dass der Gesetzgeber da mit drauf schaut und an bestimmten Stellen die Grenzen aufzeigt...
Wenn sie es nicht selbst austragen können/ wollen, dann entscheiden sie, ob gespendet oder verworfen wird. Zu diesem Zeitpunkt hat das Interesse der Eltern am Weiterleben des von ihnen als Mensch betrachteten Embryos Gewicht, zu einem späteren Zeitpunkt geht das so nicht mehr.
Das ist genau der Knackpunkt, an dem sich die Geister scheiden. Eizellen im Vorkernstadium werden noch nicht als Embryonen deklariert. Wenn sie zur Spende freigegeben werden, dann werden sie jedoch in genau der Absicht weiter kultiviert, sie an Eltern abzugeben, die nicht die genetischen Eltern sind. Und das wird unter dem Gesichtspunkt einer geteilten Mutterschaft als kritisch angesehen.
Das ist sicher interessant, mal zu betrachten. Jedoch würde ich mich eben nicht von so kulturellen Wurzeln bevormunden lassen. Für mich persönlich empfinde ich das Christentum nicht als Wurzel. - Solange man sich nicht daran binden muss, ist es ja o.k. Wenn aber daraus Gesetze abgeleitet werden, müssen wir uns doch daran binden.
Niemand muss sich individuell daran binden, dafür gibt es ja die Religionsfreiheit. Aber wie gesagt, es sind die Wurzeln unserer Kultur, welche die heutige deutsche Gesellschaft prägt. Auch dich, selbst wenn du versuchst es zu leugnen. ;) Dafür muss man nicht an einen Gott glauben. Wenn für diese Gesellschaft Gesetze verabschiedet werden, dann ist das schon ein Gesichtspunkt, der nicht völlig irrelevant ist. Es ist ja nicht der einzige Anhaltspunkt, die Natur- und Geisteswissenschaften werden bei diesem Gesetz ja ebenfalls einbezogen. Und so kommt dann eben ein Kompromiss zustande.
Was ist denn am Gefrierprozess künstlich?
Was ist am Gefrierprozess und der anschließenden Lagerung nicht künstlich?
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Mondschaf
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Beitrag von Mondschaf »

nera,
Wenn ich so was lese:

Zitat:
Zum Beispiel wird gefragt, wie die Kinder in der Schule klar kommen, ob sie sozial gut in ihr Umfeld integriert sind, ob sie Ängste haben, wie fröhlich sie sind, wie das Verhältnis zu den Eltern ist, ....


... dann ist das für mich absolut nichtssagend. Zumal ich das z.B. gerade in meinem Fall auch alles abnicken kann. Und das wie gesagt sogar als spät aufgeklärtes Spenderkind, bei denen doch anscheinend alles scheiße sein müsste. Aber nein, auch ich hocke nicht heulend in der Ecke.
Wie gesagt, hier wird eine Kausalverbindung hergestellt, die ich recht schwierig finde. Sicherlich ist es schön zu wissen, dass sich Spenderkinder in diesen Bereichen gut entwickeln, aber da fehlt doch der Blick in die Seele dieser Menschen. Das ist schwer mit standardisierten Fragebögen zu erfassen, also aus meiner (fachlichen) Sicht methodisch der völlig falsche Zugang.

Damit will ich nicht sagen, dass die existierenden Studien alle Müll sind, nein, es ist gut, dass überhaupt Studien durchgeführt werden und jeder untersuchte Teilbereich ist auf seine Weise interessant und erkenntnisreich. Aber auch hier gilt es wachsam zu sein. Übrigens lohnt sich dabei auch der Blick in die Psychologie allgemein, also losgelöst von irgendwelchen Eingrenzungen nur im Hinblick auf die Reproduktionsmedizin oder reine Untersuchungen des Verhaltens. Wenn man so ein bisschen versteht, was die Seele des Menschen ausmacht, sieht man das vielleicht auch nochmal anders...
wie willst du es denn sonst festmachen?
ich bin nicht vom fach. als naiver laie denke ich, wenn ein mensch gut im leben klarkommt, sozial intergriert ist usw. UND der befragte mensch sich selbst als überwiegend glücklich bzw. zufrieden einschätzt: wo liegt denn dann das problem für dich?
das habe ich aus deinen ausführungen nicht verstanden.
was soll die seele des menschen denn ausmachen, das mit diesen aspekten - äußere fakten und subjektive beurteilung - nicht erfasst würde?

ich gebe dir allerdings recht, dass solche studien methodisch oft zweifelhaft sind, sei es, dass zu wenig "fälle" untersucht werden und von einer geringen probandenanzahl auf alle geschlossen wird, sei es das monokausal argumentiert wird ("kinder sind intelligenter, wenn sie gestillt wurden").

dennoch: wenn meine kinder (eins leiblich, eins adoptiert), einen fragebogen mal so beantworten würden, werde ich sagen: prima. dann hab ich als elternteil doch im prinzip in der summe alles richtig gemacht, egal ob es mein genetisches kind ist oder nicht. sicher habe ich es auf meine art gemacht, sicher hätte ich vieles besser machen können und andere hätten es anders gemacht.

nein, von verdrängen hattest du nichts gesagt. du hast die befürchtung geäußert, dass man die sicht auf die positiven aspekte beschränken kann. daraus schließe ich, dass du im umkehrschluss befürchtest, dass man mögliche negative aspekte verdrängt oder ausblendet.

liebe grüße

mondschaf
Mit zwei Jungs geboren 2004 und 2007

„Zwei Dinge sollen Kinder von ihren Eltern bekommen: Wurzeln und Flügel.“ – J. W. von Goethe

„Was du liebst, lass frei. Kommt es zurück, gehört es (zu) dir - für immer.“ - Konfuzius

*** Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht. ***
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Beitrag von rebella67 »

Jetzt mal nur zu den Studien.

Es gibt natürlich viel zu wenige Studien zu dem Thema. Es ist ein Punkt von vielen, dass wir erreichen wollen, dass mehr Studien über das Wohlbefinden der Kinder angefertigt werden. Und diese sollten sowohl so allgemeine Fragen beinhalten dürfen als auch speziellere Fragen.

Weiteres heute Abend.
Liebe Grüße, Rebella
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Beitrag von rebella67 »

Nera hat geschrieben:Denn die Erfahrungen von Samenspenderkindern sind denen von Embryonenspendekindern nicht sehr fern... Da ist es nochmal was anderes, sich als heterosexueller Mensch in die Situation eines transsexuellen hineinzuversetzen.
Kennst du denn "Embryonenspendekinder", mit denen du dich darüber ausgetauscht hast? Also ich habe mich sehr lange und intensiv mit meiner transsexuell geborenen Freundin ausgetauscht und auch Vieles von ihr gelernt.

Du nimmst doch nur an und vermutest. Dabei ist die Embryonenspende doch noch ein Ende anders gelagert als die Samenspende. es gibt zwar einige Gemeinsamkeiten, aber auch grundsätzliche Unterschiede. - Außerdem weißt du gar nicht, wie du heute in Bezug auf die Spende fühlen würdest, wenn du es "schon immer" gewusst hättest und wenn der Spender nicht anonym wäre.

Nera hat geschrieben:Das gilt auch für viele Studien im Bereich Reproduktionsmedizin.
Wieviele Studien im Bereich Reproduktionsmedizin hast du denn ausgewertet?

Nera hat geschrieben:auf die hier offenbar verbreitete Ansicht, dass es Spenderkinder gibt, die das Ihr Leben lang null beeinflusst (siehe Rebella).
Wir beide konnten noch kein "Spenderkind" diesbezüglich kurz vor seinem Tod befragen. Und was heißt schon "Null beeinflusst"? Ich würde sagen, es gibt ganz bestimmt Menschen, die aus Samenspende entstanden sind und sich daraus ihr Leben nicht versauen lassen. Die sagen, ja, ich weiß, dass dass so ist, aber es kümmert mich nicht großartig. Es gibt Wichtigeres für mich. - Also eher "nicht nennenswert beeinflusst". Ich denke dabei zum Beispiel an die vor etwa 10 - 12 Jahren gezeigte NDR-Reportage "Ich bin ein Kind von der Samenbank" über den Mittzwanziger Felix Stockhai. Der zählt für mich zum Beispiel dazu.

Nera hat geschrieben:Genau darum geht es ja, ab wann ist der Mensch als menschliches Individuum zu betrachten, das besonders schützenswert ist. ...
Hier drehen wir uns im Kreis. Ich sagte ja, es gibt keine echte Antwort auf diese Frage. Das ist Religions- bzw. Weltanschauungssache. Deshalb sollten wir den Eltern die Möglichkeit geben, das nach ihrer persönlichen Religion oder Weltanschauung zu leben bzw. eben danach auch zu entscheiden.

Nera hat geschrieben:Menschen gelten als besonders schützenswert, das gilt auch schon für die Embryonen. Hier wird der spätere Mensch in eine sehr heikle Lebenssituation gebracht.
Ein Mensch, selbst wenn es das eigene Kind ist, ist nicht das Eigentum eines anderen, mit dem man tun und lassen kann, was man will. ...
Ein Embryo ist genauso erst ein sich zum Menschen entwickelndes Wesen wie ein PN-Stadium. Und beide sind genau dann schützenswert, wenn man ihnen die Möglichkeit gibt, sich zum Menschen zu entwickeln. Gibt man ihnen diese Möglichkeit nicht, gibt es auch keinen Grund, sie zu schützen. - wenn eltern entscheiden, dieser Embryo oder diese in Befruchtung befindliche Eizelle wird gespendet, dann geben sie ihm/ ihr damit gleichzeitig eine Entwicklungschance, was bedeutet, dass dieser potentielle Mensch selbstverständlich geschützt wird. Es wäre zum Beispiel verantwortungslos, den Embryo/ die sich entwickelnde Eizelle an eine Frau aus einem Menschenhändlerring zu spenden. Oder an eine Alkoholokerin. Aber wer tut das schon? Aber ich gebe dir Recht: Dahingehend sollen die Eltern nicht entscheiden dürfen, wie sie wollen (falls sie es denn wirklich wollten). Die Gesellschaft darf auch entscheiden, dass die Spende nicht anonym erfolgt und dass kein Geld von den Empfängern an die Spender fließt. Das ist der Part der Verantwortung der Gesellschaft. - es grundsätzlich zu verbieten, wäre allerdings der falsche Weg.

Nera hat geschrieben:Was ist am Gefrierprozess und der anschließenden Lagerung nicht künstlich?
Den Gefrierprozess gibt es auch in der Natur. Und auch in der Natur können eingefrorene Zellen von Lebenwesen ewig erhalten bleiben. - Ob das nun also die Natur macht oder der Mensch selber, macht nicht wirklich einen Unterschied. - Hast du zu Hause eine Gefriertruhe oder ein Gefrierfach an deinem Kühlschrank? Beunruhigt es dich nicht, etwas zu essen, was dort mal "künstlich eingefroren" war?
Liebe Grüße, Rebella
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Beitrag von rebella67 »

Hier der von mir versprochene Text. Wenn du mir deine E-Mail-Adresse schickst, Nera, kannst du diesen Text auch mit Quellenangaben erhalten:


Die katholische Kirche manifestiert ihre Haltung zur Menschenwürdethematik in einem Lehrschreiben von 1987: „Vom Augenblick der Empfängnis an muss jedes menschliche Wesen in absoluter Weise geachtet werden, weil der Mensch auf der Erde die einzige Kreatur ist, die Gott „um ihrer selbst willen gewollt“ hat, und die Geistseele jedes Menschen von Gott „unmittelbar geschaffen“ ist; sein ganzes Wesen trägt das Abbild des Schöpfers“ . Dieser Bewertung schließen sich auch viele einflussreiche Positionsinhaber der evangelischen Kirchen an. Nach einer EKD-Erklärung vom 22. Mai 2001 steht auch der frühe Embryo unter dem Schutz einer Menschenwürde, so dass sich Abwägungen zur Präimplantationsdiagnostik oder zur embryonalen Stammzellforschung von selbst verböten.

In vergangenen Jahrhunderten galt die Menschwerdung christlicherseits erst ab dem 40. Tag nach der Befruchtung für Jungen und ab dem 80. Tag nach der Befruchtung für Mädchen. 1869 erließ Pius IX. ein generelles Abbruchverbot und stellte fest, dass das Kind seine Seele bereits zum Zeitpunkt der Zeugung empfängt. Die Änderung im Kirchenrecht erfolgte aufgrund der "Unbefleckten Empfängnis Mariens", die Pius IX. 1854 zum Dogma erklärt hatte. Er stützte sich dabei auf den Leibarzt des Papstes Innozenz X., Paul Zacchias, der schon 1661 sagte, die vernunftbegabte Seele (anima rationalis) werde dem Menschen im Augenblick der Empfängnis eingegossen, denn sonst würde ja das Fest der Unbefleckten Empfängnis Mariens eine vernunftlose Materie feiern. Das aber sei der allerseligsten Jungfrau "unangemessen". ,

Das II. Vatikanische Konzil der katholischen Kirche formulierte das dann so: „Gott, der Herr des Lebens, hat nämlich den Menschen die hohe Aufgabe der Erhaltung des Lebens übertragen, die auf eine menschenwürdige Weise erfüllt werden muss. Das Leben ist daher von der Empfängnis an mit höchster Sorgfalt zu schützen. Abtreibung und Tötung des Kindes sind verabscheuenswürdige Verbrechen.“

Damit hatte man den Eintritt der Geistseele vorverlagert. „Empfängnis“ wird wohl heute mit „Befruchtung“ gleichgesetzt. Bereits die befruchtete menschliche Eizelle wird nun konsequenterweise als „Person“ definiert. Vorverlagert hat man damit auch die Betreibung der christlichen Dogmatik, nach der ein vorgeburtlicher Mensch nicht abgetrieben werden darf bzw. nun nach Befruchtung außerhalb des Mutterleibes geradezu einen Anspruch hat, in diesen wieder übertragen zu werden.

Nach offizieller Ansicht der beiden großen Kirchen also besteht eine unumstößliche Menschenwürde ab dem Moment der Befruchtung, weil die Vertreter dieser Lehre meinen, bereits während der Befruchtung würde die Geistseele in den Körper einziehen und weil sie meinen, der Mensch wäre das Ebenbild ihres Gottes. Für Christen ist insbesondere die Rettung der ungetauften menschlichen Seele wichtig, da sie nach ihrer Lehre sonst aufgrund der Erbsünde in die Hölle kommt. Für ungetaufte verstorbene Embryonen und Babys gab es in den vergangenen Jahrhunderten nach offizieller Kirchenmeinung eine Vorhölle. Diese jedoch wurde jüngst durch den Papst abgeschafft, so dass es eigentlich nicht mehr nötig wäre, ungetaufte Seelen von Embryonen und Babys zu „retten“.

Die Regelung im deutschen Embryonenschutzgesetz entspricht der Forderung der christlichen Kirchen, das sich entwickelnde menschliche Leben ab dem Zeitpunkt der Befruchtung mit Menschenwürde zu belegen, und damit sein Verwerfen zu verhindern.


Andere Religionen vertreten durchaus andere Auffassungen.

Im Judentum musste man sich ebenfalls mit den neuen wissenschaftlichen Entdeckungen arrangieren und ethische Entscheidungen fällen, die dem Glauben gerecht werden. Man hat sich dafür entschieden, dass z.B. alles das als rein gilt, was mit dem bloßen Auge sauber aussieht und alles das als fehlerfrei, was mit dem bloßen Auge fehlerfrei aussieht. Auch, wenn das Mikroskop etwas anderes verrät. Nicht mit dem bloßen Auge sichtbare Gegebenheiten sind für das jüdische Religionsgesetz im Allgemeinen nicht relevant. Das gilt im Großen und Ganzen auch für die befruchtete Eizelle. Weil sie nicht ohne Hilfsmittel gesehen werden kann, wird sie nicht als Mensch betrachtet. Daraus folgt, dass sie nicht zwingend der Mutter übertragen werden muss und auch verworfen werden kann. Ebenfalls kann sie zu Forschungszwecken freigegeben werden, zumal die Embryonenforschung zukünftig zur Rettung von Menschenleben und zum Besiegen von Krankheiten beitragen kann. Aber nicht ausschließlich wegen der geringen Größe der befruchteten Eizelle ist man im Judentum im Vergleich zum Christentum so liberal. Es findet daneben eine vernünftige Güterabwägung statt. Die zugelassenen Methoden haben einen positiven Effekt, der eventuelle negative Faktoren übertrifft. So ist die PID auch deshalb zugelassen, weil sie unter bestimmten Voraussetzungen Frauen vor wiederholten Hormonbehandlungen, vor den Risiken von Fehlgeburten und vor der Gefahr, ein Kind mit schweren Missbildungen zur Welt zu bringen, schützen kann. Das Leben des Embryos beginnt im Judentum erst mit der Nidation. Von da an steht der Embryo unter strengem Schutz, der nur dann aufgehoben wird, wenn er eine Gefahr für die Mutter darstellt.

Im Islam ist es so, dass man glaubt, die Seele durchläuft verschiedene Entwicklungsstufen. Sobald die Organanlagen beim Embryo vorhanden sind, gilt die Seele als ausgebildet. Daneben glaubt man an eine vorgeburtliche Existenz der Seele, sowie auch an eine Existenz der Seele nach dem Tod. Erst durch die Entwicklung der Seele im Menschen aber entsteht das „Mensch-Sein“ und damit die Menschenwürde. Der Anspruch auf Menschenwürde erhebt sich im Islam daraus, dass der Mensch für seine Taten verantwortlich ist. Danach ist der frühe Embryo nicht in dem Maße schützenswert, dass man nicht ein Verwerfen, eine Diagnostik mit dem Ziel der Selektion oder Forschung am frühen Embryo akzeptieren könnte. Im Islam ist man dazu verpflichtet, nach den Ursachen einer Krankheit zu forschen und eine Therapie zu finden. Unter der Voraussetzung, dass die Stammzellforschung der Förderung des Gesundheitszustandes von Menschen und der Heilung anderweitig nicht therapierbarer Krankheiten dient, ist sie sogar förderungswürdig. Zwar respektiert man auch eine Würde überzähliger Embryonen. Da diese aber ansonsten zerstört werden, ist ihre Verwendung für die Forschung zulässig.

Auf weitere anerkannte Glaubensrichtungen und ihre Einstellungen zum Embryonenschutz möchte ich hier nicht weiter eingehen. Auch, weil es mir müßig erscheint. Festzuhalten ist, dass es Menschen mit ganz unterschiedlicher Auffassung zum Beginn des Menschseins gibt und dass es für einen großen Teil dieser Menschen insbesondere aufgrund ihrer Gläubigkeit sehr wichtig ist, nach der Auffassung ihres Glaubens zu leben und zu handeln. Völlig entgegengesetzte Glaubenstheorien sind denkbar. So gibt es Menschen, die daran glauben, dass die menschliche Seele erst zu einem Zeitpunkt ab oder nach der Nidation in den Embryo oder Fötus eintritt. Für solche Menschen wäre zum Beispiel bei Erbkrankheiten die PID geradezu ein Muss, da es zu verhindern gilt, dass die Seele ihres Kindes in einen behinderten Körper einziehen muss. Unter den ungewollt kinderlosen Menschen gibt es mit Sicherheit (bewusst und unbewusst) eine große Zahl, die daran glauben, dass ihre eigene Seele sterben oder sogar noch im Jenseits leiden muss, weil es kein Kind gibt, das als Teil von ihnen aus ihrem Körper hervor gegangen ist. Viele Menschen leiden darunter, wenn „ihr Zweig“ nicht weiter wächst und damit ihre Seele nicht in ihren Nachkommen weiterleben wird.

Darüber hinaus gibt es die Gruppe der Atheisten, die in unserem Land einen Anteil von 26% (Zum Vergleich: Christenquote = 24,1 ) ausmacht. Diese Gruppe glaubt an keine Götter und damit nicht an eine Gottesebenbildlichkeit des Menschen und auch nicht an die Seelentheorie. Wenn Atheisten an ungewollter Kinderlosigkeit leiden und dazu verurteilt werden, dies aufgrund göttlicher Prinzipien zu bleiben, fühlen sie sich in besonders starkem Maße in ihrem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und auf Selbstbestimmung verletzt. In einem Staat, der sich als weltanschaulich neutral bezeichnet und der in seinem Grundgesetz die Trennung von Staat und Kirche verankert hat, ist es eindeutig grundgesetzwidrig und in höchstem Maße die Persönlichkeit verletzend, ja, Menschenrechte verletzend, wenn man Menschen dazu verpflichtet, sich unter Ignorierung fundamentaler menschlicher Bedürfnisse den Gesetzen einer Religion oder sogar einer bestimmten Religion zu unterwerfen.

Diese Aussage deckt sich auch mit der Erkenntnis des Ethnologen Melville J. Herskovits, der bereits 1947 feststellte: „Maßstäbe und Werte sind relativ auf die Kultur, aus der sie sich herleiten. Daher würde jeder Versuch, Postulate zu formulieren, die den Überzeugungen oder dem Moralkodex nur einer Kultur entstammen, die Anwendbarkeit einer Menschenrechtserklärung auf die Menschheit als ganze beeinträchtigen.“

Das deutsche Embryonenschutzgesetz, das in einigen Punkten und insbesondere in der Vorschrift, dass nicht mehr Eizellen befruchtet werden dürfen als Embryonen im selben Zyklus übertragen werden sollen, wesentlich von christlichen Auffassungen beeinflusst ist, gilt für alle Menschen in diesem Land. Egal, welchem Glauben sie angehören - ob sie Atheisten sind und ausdrücklich nicht nach den Gesetzen einer Religion leben wollen oder ob sie eine ganz persönliche religiöse Auffassung haben.

Wir haben jedoch eine grundgesetzlich verankerte Religionsfreiheit und damit den Anspruch auf Gesetze, die sich allein an den Regeln der Vernunft orientieren. Jedoch kann es nicht vernünftig sein, sich in so hohem Maße über den Glauben, den Nichtglauben und die Gefühle von Menschen hinweg zu setzen. Die oben dargelegten Lösungen im Judentum und im Islam erscheinen mir darüber hinaus um einiges vernünftiger als die sich im deutschen Embryonenschutzgesetz niederschlagende christliche Sturheit.
Liebe Grüße, Rebella
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Nera
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Beitrag von Nera »

Ich versuche morgen zu antworten, hab gerade viel um die Ohren, sorry.
rebella67
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Beitrag von rebella67 »

Geht mir ebenso. Lass dir Zeit.
Liebe Grüße, Rebella
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